Als Stefan Mikulicz vorgestern Abend das letzte seiner »21 Kinder« besuchte, war die Gaststube im Reicholzheimer Gasthaus »Zum Riesen« mit rund 50 Zuhörern und Unterstützern gut gefüllt. Es war der letzte Vor-Ort-Termin des Oberbürgermeisters vor der Kandidatenvorstellung am Freitagabend in der Main-Tauber-Halle. Seine Mission: Den Vertrag mit Wertheim verlängert zu bekommen, wie er sagt.
Bei den Stationen zuvor habe er interessante Erfahrungen, Eindrücke und Stimmen mitnehmen können, berichtet der 58-Jährige. Seit Mitte Januar war der amtierende OB in den Stadt- und Ortsteilen Wertheims unterwegs, um für seine Wiederwahl am 27. März zu werben. Zwei bis drei Termine pro Woche haben ihn zu seinen »Kindern« geführt, wie er am Montagabend die Orts- und Stadtteile bezeichnet. »Ich habe in eine Familie eingeheiratet mit 21 Kindern, und jedes Kind ist anders und auf seine Art liebenswert«, erzählt er.
Frei redend, die Arme mal vor der Brust verschränkt, mal gestikulierend, berichtet er in einer rund 30-minütigen Ansprache, was er seit 2003, dem Jahr seiner Wahl, in Wertheim bewegt hat. Dabei erwähnt er unter anderem das Krankenhaus, die Stadtsanierung mit den mehr als hundert Wohnungen in der Altstadt, die geschaffenen Arbeitsplätze für rund 900 Mitarbeiter oder die Generalsanierung der Comenius-Realschule. Die Zuhörer danken es ihm mit Applaus. Reicholzheim sei ein besonderes Kind mit seinen rund 1350 Einwohnern und den fast 2700 Vereinsmitgliedschaften. Dieses starke Vereinsleben gelte es zu bewahren, denn »Vereine sind der gesellschaftliche Kitt«, betont Mikulicz. Wichtiges Thema - auch in Reicholzheim - ist laut Stefan Mikulicz, die Ortskerne zu sanieren, um »junge Leute hier zu halten«. Dabei müsse man mit attraktiven Angeboten, wie mit Förderprogrammen, den Anreiz bieten, alte Hofreiten zu sanieren. Man dürfe jedoch auch nicht die Bauplätze auf der grünen Wiese zugunsten der Altorte völlig verweigern. Das sei zu gefährlich, schließlich müsse generell verhindert werden, dass die jungen Leute Wertheim den Rücken kehrten.
Der Oberbürgermeister ist ein souveräner Redner, immer wieder bittet er um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer, wenn das Gemurmel zu groß wird. Auch von einem beharrlich klingelnden Mobiltelefon in einer Jackentasche an der Garderobe lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Nach einer Dreiviertelstunde greift er zu einer Tasse Tee. Er ist leicht erkältet, die vergangenen Wochen waren anstrengend, die Stimme droht zu versagen. Doch auch das nimmt er mit Humor: »Meine Stimme ist etwas beansprucht, aber das ist kein Problem, denn ich hoffe ganz stark, Sie geben mir Ihre.«
Die Diskussion mit den Reicholzheimern ist geprägt von einem humorvollen Miteinander. Da geht es um das Problem mit den Rehen im Friedhof, die gerne an den Grabpflanzen knabbern, wie ein Bürger anmerkt. Ein anderer fügt hinzu: »Und die haben jetzt schon das Treppensteigen gelernt, die sind nicht nur oben, sondern auch schon an den unteren Gräbern.« Mikulicz sagt, das Problem sei ihm bekannt, er wolle sich kümmern. Und merkt lachend an, seine Frau beschwere sich auch ständig, die Rehe fräßen ihr die Rosen ab. Bei allen angesprochenen Themen und Problemen - so beispielsweise die Anmerkung eines Bürgers, dass die strenge Landesbauordnung im Altort potenziell Sanierungswillige verschrecke - sagte der Oberbürgermeister, er habe bisher noch jedes baurechtliche Problem gelöst. Der ausgebildete Diplom-Ingenieur, Stadt-planer und Architekt will sich den Einzelfall gerne einmal anschauen. In diesem Zusammenhang warb er auch für die Bürgersprechstunde. Klarer Kurs und Verlässlichkeit Immer wieder betonte Mikulicz, dass er alles eingehalten habe, was er zugesagt habe. Er fahre einen klaren Kurs, dabei sei ihm das Klima wichtig - sowohl im Gemeinderat als auch generell.
Reicholzheims Ortsvorsteher Rolf Sommer bestätigte dies und bescheinigte Mikulicz Verlässlichkeit. Abschließend ermunterte Altstadtrat Heiko Albrecht Stefan Mikulicz, jetzt gehörig Gas zu geben und bei einer Wiederwahl nicht einzuschlafen. »Der sechste Gang muss rein«, proklamierte er, und der OB strengte nochmals seine strapazierte Stimme an: »Das sage ich zu!« Karin Hussy
Quelle: Wertheimer Zeitung