Wertheim - Am vergangenen Wochenende demonstrierten etwa fünfzig Flüchtlinge nahe der Erstaufnahmestelle des Landes auf dem Reinhardshof.
Die Flüchtlinge machten der Unzufriedenheit über ihre Situation Luft, da sich seit Mitte September 2015 für sie eigentlich nichts verändert hat. Der Ausspruch eines Syrers „Wir haben 56 Tage verloren“ spiegelt dies eindrucksvoll wieder.
In Gesprächen mit der Führung der Verwaltungsspitze der Stadtverwaltung wurden die Anliegen der Flüchtlinge angehört.
Sehr schnell kristallisierte sich heraus, dass die vorgetragenen Anliegen und Mängel eindeutig in der Verantwortung des Landes liegen. Dies konnte den Wortführern der Flüchtlinge vermittelt werden.
Sieht man jedoch genauer hin, was in den letzten zwei Monaten passiert oder nicht passiert ist, so lässt sich der Unmut vieler Flüchtlinge nachvollziehen. Die Versprechen der Vertreter der grün-roten Landesregierung, die im Rahmen einer Gemeinderatssitzung in der Aula Alte Steige im September 2015 vorgetragen wurden, sind leider bis heute immer noch nicht umgesetzt.
Versprochen wurde der Stadt Wertheim eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) mit allen Funktionen. Das heißt unter anderem: Gesundheitsuntersuchung vor Ort und Registrierung und Bearbeitung der Asylanträge vor Ort durch eine Außenstelle vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Schließlich auch die Schaffung einer Polizeiwache vor Ort in der Einrichtung. Und nicht zuletzt Rücksichtnahme bei der Belegung auf die Besonderheiten im Hinblick auf das Areal und dessen Umfeld.
Entgegen dieser Versprechen und Zusagen, sieht die Realität ganz anders aus.
Augenblicklich ist die Aufnahmestelle mit weit über 1000 Flüchtlingen belegt und wird immer mehr zu einer Verwahranstalt, anstatt als Erstaufnahmeeinrichtung zu funktionieren. Anstatt die anstehenden Entscheidungen zügig zu treffen und aktiv zu handeln, gefallen sich Innenministerium und Integrationsministerium darin, über Zuständigkeiten zu streiten. Krisenbewältigung sieht anders aus.
Das unwürdige Gezerre über Beschaffung und Bezahlung eines dringend benötigten Röntgengerätes spricht für sich und zeigt in vollem Umfang die Überforderung der zuständigen Ministerien.
Im gleichen Maß verhalten sich die Verantwortlichem bei der Frage, ob eine Außenstelle von BAMF auf dem Reinhardshof eröffnet wird.
Stattdessen werden unsägliche Diskussionen darüber geführt, ob man die Flüchtlinge mit Bussen nach Heidelberg zur Registrierung fahren soll. Verfahrensbeschleunigung sieht anders aus. Eine Antragstellung auf Asyl vor Ort würde in jedem Falle eine schnellere Bearbeitung ermöglichen und zur Zufriedenheit aller Beteiligten führen.
Das die versprochene Einrichtung einer Polizeiwache auf den Reinhardshof immer noch ungeklärt ist, passt in dieses Bild. Hier windet sich die Landesregierung hinter Wortfindungen, ob es sich um eine „LEA“ oder nur um eine „EA des Landes“ handle. In letzterem Fall wäre es, der Definition nach nicht notwendig, Polizei vor Ort zu installieren. Damit wirft man Sand in die Augen derer, die sich auf die Zusage einer Polizeipräsenz verlassen haben.
Hier ist ein Machtwort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gefordert. Versprochene Zusagen der Landesregierung sind einzuhalten. Den berechtigten Belangen der Flüchtlinge wie auch der Bevölkerung vor Ort ist umfassend Rechnung zu tragen.
Ohne das hohe ehrenamtliche Engagement von Helfern und Hilfsorganisationen wäre die Einrichtung dieser Flüchtlingsunterkunft gar nicht möglich gewesen. Dafür bedankt sich die CDU Fraktion. Es ist aber längst an der Zeit, dass die Landesregierung ihren Anteil zu einer funktionierenden LEA in Wertheim leistet.
CDU Fraktion im Gemeinderat Wertheim
Wertheim 14.11.2015