Den politischen Aschermittwoch der Main-Tauber-CDU in Hundheim gibt es schon seit 45 Jahren. Aber nur gelegentlich findet er kurz vor einer Landtagswahl statt. Dann steht der Wahlkampf im Mittelpunkt. Und wenn es auch noch darum geht, Grün-Rot von der Macht zu verdrängen, herrscht sowieso Ausnahmezustand bei der Union.
(Zweiter von links) MdL Prof.Dr. Wolfgang Reinhart, (stehend) Bürgermeister Thomas Schregelmann,( rechts) EU-Kommissar Günther Oettinger. Hundheim. Das zeigt schon der Zuspruch: Über 200 Bürger sind ins Gemeindezentrum gekommen, was Landtags-Spitzenkandidat Wolfgang Reinhart brüllend als »Signal des Aufbruchs« hochstilisiert und die CDU als »Besucherrekord« feiert. Und noch etwas ist anders als an anderen Aschermittwochen: EU-Kommissar Günther Oettinger ist »extra früher aus einer Sitzung gegangen« (Reinhart) und im Auto aus Brüssel nach Hundheim gereist, um dort die Hauptrede zu halten.
Als der frühere Ministerpräsident in einem Audi A 8 mit belgischen Kennzeichen vorgefahren wird und während Reinharts Wahlkampfrede den Saal betritt, erhält er sofort stehende Ovationen. Reinharts Stimme jubiliert, als er Oettinger unter tosendem Beifall begrüßt: »Es ist für uns ein großer Moment, Günther.«
Und der Angesprochene erfüllt die Erwartungen der Partei mit einer vehementen und sachkundigen, aber auch launigen Rede, in die er kleine Witzchen einstreut. Zum Beispiel zu den Stuttgarter Bundesliga-Fußballern: »Der VfB schafft statistisch alle 13 Jahre die deutsche Meisterschaft, also ist es bald wieder so weit.« Oder zum ZDF, das sein Sohn freiwillig fast nie einschalte - nur bei Fußball »oder bei der Heute-Show, wenn der Alte verarscht wird«.
Überwiegend spricht Oettinger aber ernst über ernste Themen. Er beklagt, dass es in Deutschland eine »Nein-Sager-Gesellschaft« gebe, und sorgt sich in diesem Zusammenhang um die wirtschaftliche Weiterentwicklung. Er warnt vor »brandgefährlichen« AfD-Politikern. Er fordert, »die Rente mit 70 in aller Sachlichkeit zu diskutieren«. Er mahnt eine wirkungsvolle Sicherung der EU-Außengrenzen an: »Wir haben mehr Bademeister in Baden-Württemberg als Grenzschutzbeamte in der EU.« Er unterstreicht die Wichtigkeit der digitalen Entwicklung im ländlichen Raum: »Lieber Schlaglöcher als Funklöcher akzeptieren.«
»Tüchtige Bürgermeister«
Und natürlich bauchpinselt Oettinger auch die gekommenen Rathauschefs und weitere lokale Politprominenz. Der 62-Jährige lobt die Region und die »tüchtigen Bürgermeister«, preist den Landkreis als »klein, aber oho« an.
Das traditionelle Heringsessen, das nach der Wahlkampfrede des Bundestagsabgeordneten Christian von Stetten mit halbstündiger Verspätung folgt, bekommt Oettinger nicht mehr mit, denn nach seiner Rede fährt er rasch wieder. Wertheims Oberbürgermeister Stefan Mikulicz zückt zum Abschied vor der Tür sein Smartphone und macht Fotos mit Oettinger. Der EU-Kommissar kam in Hundheim nicht nur bei der Basis gut an.